Asche und Aquavit

Eine Generationenkomödie von Bengt Ahlfors

Premiere war am 10. April 2010 im Kulturbahnhof Lemgo

Es spielen: Liane Kreye (Witwe), Claudia Hülsemann-Stenten (Haushälterin), Doris Weiß (Schwägerin), Sven Meyer (Sohn), Ursula Sparka (Tochter), Karl Heinz Hüske (ehemaliger Geliebter), Jörg Katerndahl (Psychiater)
Regie: Frank Wiemann

 

Lippische Landeszeitung am 12. April 2010

Zwiegespräche gehen unter die Haut
Glänzende Premiere des Stückes "Asche und Aquavit" beim Theater Stattgespräch
Von Andreas Beckschäfer

Lemgo: Mit dem skandinavischen Stück „Asche und Aquavit“ legte das Theater STATTGESPRÄCH.. eine beeindruckende Premiere hin. Das anspruchsvolle Stück bot Stoff zum Nachdenken, aber vor allem zum Lachen und unterhielt glänzend.

Trauerarbeit auf skandinavisch: Im Lemgoer Theater "Stattgespräch" hat das Stück "Asche und Aquavit" des finnischen Autors Bengt Ahlfors am Samstag eine äußerst gelungene Premiere gefeiert.

In den Hauptrollen: Eine Witwe - und eine Urne. Vera Malmgren beurteilt die Lage eher pragmatisch: Sie ist mit der Urne ihres verstorbenen Gatten von der Trauerfeier geflüchtet, kann die Bestürzung der Verwandtschaft über ihr Handeln jedoch nicht nachvollziehen.

"Was soll er unter der Erde? Er ist nie ein Naturfreund gewesen", rechtfertig die resolute Witwe ihr Tun - und stellt die Asche des Generaloberst auf den Kaminsims des Hauses. Ein ausgezeichneter Platz, um bei einem Gläschen Aquavit mit den sterblichen Überresten des Ehemanns ins Zwiegespräch zu gehen, findet die Hinterbliebene. Die engste Verwandtschaft ist anderer Ansicht und vermutet als Ursache des seltsamen Vorgehens der Mutter das Einsetzen altersbedingter geistiger Verwirrung. Nicht ganz uneigennützig überzeugt Schwägerin Esther die zwei erwachsenen Kinder der Frau, den Geisteszustand von einem Psychiater untersuchen zu lassen.

Denn eine mögliche Entmündigung der vermeintlich senilen alten Dame wäre gleichbedeutend mit der vorgezogenen Auszahlung der nicht unbeträchtlichen Erbanteile an die gierende Nachkommenschaft. Nicht zuletzt ist da noch Haushälterin Kristi Lindholm - im Gegensatz zu den Kindern seit Jahren in regelmäßigem Kontakt mit Vera stehend - die Informationen über die zunehmende Vergesslichkeit der Dame des Hauses liefern kann. So entspinnt sich ein Stoff aus Intrigen und gegenseitigen Schuldzuweisungen, der urkomische Dispute bereithält, zugleich jedoch einen zwar überzeichneten und doch nicht unrealistischen Einblick in die Trümmerlandschaft einer zersplitterten Familie gewährt.

Das Skript von Bengt Ahlfors, das Regisseur Frank Wiemann für die in Kooperation mit dem Generationbeirat Lemgo entstandene Inszenierung ausgewählt hat, ist keineswegs "leichte Kost". Es stellt die Figur einer trauernden Witwe ins Zentrum der Geschichte, erlaubt sich manch sarkastischen Seitenhieb auf die Verkommenheit unserer Gesellschaft und ist doch vordergründig eine Komödie, die sich durch so respektlose wie wortwitzige Dialoge auszeichnet.

Dass dieser Balanceakt gelingt, ist fast vollständig abhängig von der Leistung der Hauptdarstellerin. Liane Kreye, seit Jahren fester Bestandteil des Stattgespräch-Theaters, erwies sich in ihrer ersten großen Rolle als Idealbesetzung für den vielschichtigen Charakter der Vera Malmgren.

Ihre Darstellung der trauernden Witwe war uneingeschränkt großartig, weil sie die Figur als starke, schlagfertige Persönlichkeit und Sympathieträgerin etablierte. Gleichzeitig zeichnete sie den Charakter ausreichend glaubwürdig und ernsthaft nach, um den nachdenklichen zweiten Akt des Stückes völlig allein zu tragen.

Die leisen, intensiven Momente ihres Zwiegesprächs mit dem Toten gestaltete Kreye mit einer Intensität, die Gänsehaut erzeugte und stellenweise die Grenzen zwischen Lachen und Weinen zu verwischen vermochte.

Ausschließlich für Lacherfolge zeichneten hingegen die überdrehten weiteren Charaktere verantwortlich, dargestellt von Claudia Hülsemann-Stenten (Haushälterin), Doris Weiß (Schwägerin), Sven Meyer (Sohn), Ursula Sparka (Tochter), Karl Heinz-Hüske (ehemaliger Geliebter) und (mit glänzend pointierter Mimik) Jörg Katerndahl als Psychiater.

Eine feine, geschlossen überzeugende Ensembleleistung, die "Asche und Aquavit" zu einem durchgängig unterhaltendem und zugleich inhaltlich anspruchsvollem Theatererlebnis gestaltete. Vollkommen zu Recht verabschiedete das Publikum die Protagonisten mit stürmischem Beifall.

 

Lippische Wochenschauam 15.April 2010

Brisantes Thema und tosender Beifall

„Super, genial und absolut gelungen“, so das Fazit der Premiere „Asche und Aquavit“, die am Samstag im Lemgoer Kultur-Bahnhof aufgeführt wurde. Ein experimentelles Theaterstück, das in Zusammenarbeit mit dem Generationenbeirat Lemgo produziert wurde und sich aus Amateuren und Laien zusammensetzt.

Das Ergebnis war umwerfend - Das Thema brisant: der Tod eines geliebten Partners und die anschließende Trauerarbeit, die von habgierigen erwachsenen Kindern zusätzlich erschwert wird. Am Erfolg dieser Aufführung gemessen, könnte es Fortsetzungen im Bereich Generationen-Theater geben.

Handlungsort ist eine Wohnung in einem Vorort von Helsinki. Vera Malmgren - hervorragend von Liane Kreye gespielt – will nicht allein sein. Deshalb flüchtet sie mit der Urne ihres Mannes von der Beisetzungsfeier in ihre Wohnung und zu den verbliebenen Aquavitresten des jüngst verblichenen Gatten. Das Dienstmädchen Kisti, von Claudia Hülsemann-Stenten absolut überzeugend dargestellt, ist über diese Form der Schmerzbewältigung so entsetzt wie Veras erwachsene, aber stets „verhinderte“ Kinder. Mit Aussicht auf ein beträchtliches Erbe kommen die Kinder, angestachelt durch die Ex-Frau des Sohnes, schnell auf die Idee, ihre Mutter wegen geistiger Verwirrung entmündigen zu lassen.

Liane Kreye bewies, besonders auch in ihrem halbstündigen Monolog im zweiten Akt, als trauernde Witwe, absolutes Können und zog das Publikum meisterhaft in ihren Bann.

Selbst in der Pause hielt das Stück seine Gäste gefangen, denn das Thema wurde von etlichen Gästen aufgegriffen und diskutiert, wie man selbst beerdigt werden wollte oder welche Vollmachten noch zu Lebzeiten gegeben werden mussten.

Nichts desto trotz, wurde über das aufgeführte Stück, das hauptsächlich als Generationen-Komödie konzipiert wurde, viel gelacht. Schnell schafften es die Darsteller ihr Publikum aus emotionale Tiefen wieder in humorvolle Höhen zu führen.

Besonders beeindruckte die gelungene, ach so menschliche Darstellung der verschiedenen Charaktere, die von Laien wie Amateuren wundervoll in Szene gesetzt und authentisch verkörpert wurden. Der Sprachwitz, dem stellenweise eine gute Portion schwarzer Humor nicht fehlte, setzte dem Ganzen ein weiteres Krönchen auf.

Langanhaltenden und tosenden Beifall ernteten die Darsteller als Anerkennung für ihre hervorragende Leistung. Zu recht wird Asche und Aquavit in das Programm der Freien Theatergruppe Stattgespräch aufgenommen – denn es ist ein Bühnenstück, das man einfach gesehen haben muss!

 

Lippe aktuell am 17.April 2010

Herrlich makaberes Gespräch mit einer Urne
Theater »Stattgespräch«: Glänzende Premiere von »Asche und Aquavit«

Ein begeistertes Publikum im voll besetzten Saal des Lemgoer Kulturbahnhofs und lang anhaltender Applaus nach gut zwei Stunden bester Theaterunterhaltung – das ist die rundum positive Bilanz des Premierenwochenendes von »Asche und Aquavit«, der neuesten Produktion der Gruppe »Stattgespräch«. Das besondere Moment dieses Mal war die Beteiligung einiger Laiendarsteller, zustandegekommen durch die Kooperation der Theaterleute mit dem hansestädtischen Generationenbeirat.

Dem entsprechend heißt das Stück auch im Untertitel »Generationenkomödie ums Erben und Vererben«. Kurz zum Inhalt: Handlungsort ist eine Wohnung in einem Vorort von Helsinki. Vera Malmgren, eine lebensfrohe ältere Dame, will nicht allein sein. Deshalb flüchtet sie mit der Urne ihres verstorbenen Mannes von der Beisetzungsfeier in ihre Wohnung und zu den verbliebenen Aquavitresten des Gatten. Das Dienstmädchen ist über diese Form der Schmerzbewältigung genauso entsetzt wie Veras erwachsene Kinder. Mit Aussicht auf ein beträchtliches Erbe kommen letztere allerdings, angestachelt durch die exaltierte Exfrau des Sohnes, schnell auf die Idee, die Mutter wegen geistiger Verwirrung entmündigen zu lassen.

Die Aufführung der Komödie des finnischen Autors Bengt Ahlfors steht und fällt sozusagen mit der Darbietung der zentralen Hauptfigur, der Witwe Vera Malmgren. Im ersten und dritten Akt hat sie sich mit ihrer Familie – von ihr als »Meute« bezeichnet – auseinanderzusetzen; im mittleren Teil befindet nur sie sich auf der Bühne, monologisiert über ihre Ehe und ihr Leben insgesamt. Doch streng genommen führt sie kein Selbstgespräch, sondern kommuniziert mit der auf dem Kaminsims abgestellten Urne.

Ihr Gatte war Berufssoldat, Oberst. »Da stehst Du nun auf dem Kamin, so als ob Du gerade eine Parade abnimmst«, sinniert die Witwe. Gespielt wird sie von Liane Kreye, für die es die erste große Rolle ist. Für die Figur der Vera Malmgren ist sie in der Tat eine ideale Besetzung. Sowohl im lustigen ersten und dritten Akt als auch im nachdenklichen, ergreifenden Mittelteil spielt Liane Kreye sehr authentisch, zugleich leidenschaftlich, natürlich und unaufdringlich. Sie wirkt wie eine eigentlich feine Frau, die das Leben aber gelehrt hat, auch derbe reden zu können, »schließlich kann man doch nicht stets allen immer nur Gutes zutrauen«.

Das Stück unter der Regie von Frank Wiemann ist durchzogen von herrlich makabren Dialogen genauso wie von reflektierenden Passagen. Es bietet zugleich »Ohnsorg-Theater« im besten Sinne wie auch Tiefgründig-Tragisches à la Woody Allen – also wirklich ein Theaterabend für alle Generationen.

 

Weitere Vorstellungen: siehe Spielplan

 

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